Atelierhaus Eroicagasse
Städtische Eckparzelle
Ort Wien, Österreich
Bauherr Ernst Hiesmayr
Fertigstellung: 1976
aus Einfache Häuser Seite 108–121
Die Parzelle bildet an der Ecke einen spitzen Winkel, um den der
Straßenverkehr herumgeleitet werden muß. Hiesmayr suchte nach einer
harmonischeren und doch prägnanten Ecklösung bei guter Ausnutzung der
kleinen Grundstücksfläche.
Die ldealform: ein Halbzylinder, der seinen geraden „Rücken“ dem
rechtwinkelig strukturierten Einfamilienhausgebiet zuwendet und sich zu
den Weingärten öffnet.
Die Bebauungsbestimmungen, die den spitzen Winkel festschrieben,
ermöglichten mit Hilfe des Erkerparagraphen der Bauordnung die
Genehmigung. Die im Bebauungsplan festgelegte Trapezfläche und der
Halbkreis sind flächengleich. Im Anschluß an den Erdboden mußte die
Bauflucht jedoch eingehalten und die Rundung etwas zurückgesetzt
werden. Das bedeutete eine Störung der perfekten Zylinderform, deren
reine Geometrie Hiesmayr als programmatisches Zeichen für sein
Architekturatelier vorgezogen hätte.
Zu einem weiteren Kompromiß zwang der Wunsch der alten Dame, im zweiten Stock zu wohnen. Ein Oberlichtatelier war damit nicht mehr möglich. Großflächige Fenster kompensieren den Mangel mit einem herrlichen Panorama der Weingärten. Nur in der Achse des Nußdorfer Friedhofs blieb die Fassade geschlossen.
Das Problem der architektonischen Eingliederung eines Bürogebäudes ins Wohnquartier ist durch den Maßstab und die Typologie gelöst. Die halbzylindrische Großform betont die Individualität, die Holzfassade reiht das Haus in die Tradition der Weingartenschuppen und Schrebergartenhäuser an der Stadtperipherie ein. Durch den halbkreisförmigen Grundriß hat das Atelier keine Nordfassade. Die Sonne aus Ost und West tangiert den Halbkreis.
Unterzuglose Stahlbetonplatten sind in einen Stahlbetonkern, der die Stiege enthält, eingespannt und an der Fassade auf Vierkantstahlrohren aufgelagert Die vorgehängte Fassade mit einer vertikalen Stülpschalung aus nordischer Kiefer weist großflächige Fensterelemente mit Rahmen aus Oregon-Pine auf.
Statt eines Zaunes umgibt eine Buchenhecke das Grundstück. Der
Garteneingang wird durch sechs Serpentinstelen des Bildhauers Karl
Prantl als Schwelle markiert. Der Garten ist ein Werk des bewährten
Landschaftsarchitekten Fred Eicher. Er breitet sich in konzentrisch um
das Gebäude ansteigenden Terrassen aus, die mit immergrünen
Schattenpflanzen bewachsen sind.
Die spitze Ecke im Gehsteig wurde abgerundet und den Fußgängern
gewidmet. Das Angebot an die Stadt Wien, dieses Dreieck als Schenkung in
ihren Besitz zu nehmen, wurde abgelehnt.
Baukultur ist umgesetztes Leben – Lebensgefühl. Sie ist Orientierung im Lebensraum, in der Lebenswelt, daher vermittelt Baukultur Sicherheit. Eine Identität mit dem Jetzt – dann eine Lebenshilfe.
48.260270485116344, 16.35807478396056 ©geoland.at